Eine Pfingstpredigt

20. Mai 2018

 

 

Pfingstpredigt von Helmut Gollwitzer, die er

 

am 7. Juni 1981 in der Jesus-Christus-Kirche in Berlin-Dahlem gehalten hat

 

 Wer hätte, zumindest von uns Älteren und Alten,  nicht schon von Helmut Gollwitzer gehört? Er war ein charismatischer evangelischer Theologe, Schriftsteller, Sozialist und Friedensaktivist. Ich lernte ihn während meines Psychologiestudiums in den 70er und 80er Jahren an der Freien Universität Berlin kennen, wo er zu dieser Zeit lehrte. Ich ging einfach mal in ein Seminar von ihm. – Dabei sollte es nicht bleiben, es schlossen sich viele weitere Seminare bei ihm und auch Kirchenbesuche in der Jesus-Christus-Kirche in Berlin-Dahlem, wo er öfter predigte, an. Die obige Pfingstpredigt von ihm hatte ich aufgehoben, und vor einiger Zeit habe ich sie noch einmal gelesen.

 

 Beim Lesen dieser Predigt nach vielen Jahren fand ich sie (wieder) richtig interessant, so interessant, dass ich überlegte, sie als Blogbeitrag zu Pfingsten dieses Jahr auf meine Webseite zu stellen und damit auch anderen Interessierten zugänglich zu machen. Dazu benötigte ich jedoch die Einwilligung der Erben der Urheberrechte von Helmut Gollwitzer. Zu meiner Freude habe ich diese Einwilligung erhalten, und so stelle ich hier mit etwas wehmütigem Gefühl diese 37 Jahre alte Predigt von Helmut Gollwitzer zum  Pfingstsonntag ein. Denn diese Predigt ist, das wird beim Lesen recht schnell klar, keinesfalls „überholt“ in dem Sinne, dass heute alles so ganz anders und möglicherweise besser geworden ist als damals, sondern die Predigt passt eben auch in unsere heutige Zeit und unser heutiges Denken! – Zumindest dann, wenn wir ein wenig in kritischem Denken geübt sind.

 

 Ich habe die Predigt komplett von der alten Vorlage abgeschrieben und auch die damalige Rechtschreibung beibehalten. 

 

 Ich wünsche ein schönes Pfingstfest 2018.

 

 

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Prof. D. Helmut Gollwitzer                                                                                             7. 6. 1981

                                      1.Pfingsttag

                                     Jesus Christus-Kirche

                                     Berlin-Dahlem.

 

 

                                                               Predigt über Sacharja 4, 6.

 

 

 

Liebe Pfingstgemeinde!

 

Der Wochenspruch für die Pfingstwoche in diesem Jahr stammt aus dem Buch des Propheten Sacharja und lautet: „Es soll nicht durch Heer oder Macht geschehen, sondern durch meinen Geist, spricht der Herr Zebaoth.“

 

Geist – das ist das große Wort von Pfingsten. Das könnte eine schöne Gelegenheit sein, ein philosophisches Colloquium abzuhalten von Idealisten und dialektischen Materialisten über Geist und Materie, was von beiden den Primat habe, und ein Colloquium von Anthropologen über Geist, Seele und Leib des Menschen. Nichts dergleichen wollen wir hier tun. Denn nicht aus theoretischem Bedürfnis, sondern aus sehr praktischem Bedürfnis sind wir hier zusammengekommen, bedrängte Menschen 1981, die 1984 herannahen sehen, nicht das Kalenderjahr, sondern das 1984 des Georges Orwell, also eine schlimme Zukunft, die Menschen von Menschen bereitet wird. Eben damit sind wir beim Wort Geist, und zwar in unserem alltäglichen Sprachgebrauch. Alles, was Menschen tun, und alles, was Menschen Menschen antun, hat seinen Sitz im Geist, d.h. es kommt aus den Köpfen, Herzen und Gesinnungen der Menschen.  Darum hängt alles davon ab, wie es geistig mit den Menschen bestellt ist. Auf den Geist kommt es entscheidend an, auf die innere Verfassung also, mit der du dein Leben anfaßt. Du trittst eine neue Arbeitsstelle an: mit welchem Geist trittst du den anderen gegenüber und sie dir? Es trifft dich ein schweres Unglück, du hast schlimm versagt  und du bist tief deprimiert über dich selbst oder über andere. Du ziehst das große Los, und die Welt liegt rosig vor dir. In jedem Fall entscheidet sich das, was daraus wird, auch daran, wie du dich dazu einstellst, also an deiner geistigen Verfassung, und mit welchen geistigen Kräften du ausgerüstet bist, um durchzuhalten, um wieder auf die Beine zu kommen, um weder im Glück übermütig noch im Unglück verzweifelt zu werden.

 

Außerdem: Geist strahlt aus, Geist steckt an. Was für ein Geist wirkt von mir auf die anderen? Ein mutmachender, vertrauenserweckender Geist oder ein  runterziehender, alles grau machender oder gar gemein machender Geist? Nie ist unser Geist allein. Geist heißt selbst: Beziehung zu anderem Geist. Immer lebt unser Geist von anderm Geist und immer wirkt er auf andern Geist. Wo du mit Menschen zu tun hast, hast du mit ihrem Geiste zu tun. Ob dir einer die Hand reicht, um dich vom Sturz aufzuheben oder ob einer mit dem Prügel auf dich einschlägt – das ist jedesmal etwas ganz anderes, als wenn du dich an einem Aste hochziehst oder ein Ast auf dich herunterfällt. Du begegnest nicht nur einem Ding, sondern einem menschlichen Geist. Es nimmt einer Stellung zu dir und du zu ihm – das ist ein Vorgang von Geist zu Geist. Der dialektische Materialist ruft vielleicht dazwischen: Das ist alles ganz richtig, nur darfst du nicht vergessen zu fragen, wovon hängt dein Geist ab? Deine geistige Verfassung hängt auch von deiner leiblichen Verfassung ab, das erfahren wir oft genug. Unsere Anschauungen und Bedürfnisse hängen von unseren sozialen Verhältnissen ab, ob wir in einer Villa geboren sind oder in einem Obdachlosenasyl, was für Werte in meiner Umwelt hochgehalten werden, faschistische oder friedliche, ob in unserer Welt Mammonsgeist herrscht oder ...

 

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... der Geist der Solidarität.

 

Was wirkt am stärksten auf meinen Geist ein – das ist eine entscheidende Frage. Und eigentlich lautet sie: Stehe ich unter meinen Verhältnissen, die mich umgeben, und aus denen ich komme, oder über ihnen? Ich habe Angst, stehe ich unter meiner Angst, oder über ihr? Ich habe Hunger – stehe ich (ich habe das in der Gefangenschaft erlebt) unter meinem Hunger oder über ihm? Ich bin in tiefer Trauer – versinke ich in ihr oder wird mir herausgeholfen? Ich gehöre zu meiner Klasse, sie hat Privilegien und verteidigt sie erbittert – stehe ich unter diesen Klasseninteressen oder über ihnen, frei zum Verzicht auf sie und zum Teilen mit den Unterprivilegierten?

 

Mit alldem haben wir uns Pfingsten angenähert, dem Feste des Heiligen Geistes. Eigentlich sollte bei keinem christlichen Fest die Annäherung uns so leicht fallen wie bei Pfingsten, und es ist mir immer merkwürdig gewesen, weshalb die andern großen christlichen Feste vielen Christen mehr ins Gemüt eingegangen sind als das Pfingstfest. Auch von den andern christlichen Festen gehen herrliche Verheißungen aus; sie beziehen sich aber auf Ereignisse außerhalb unseres eigenen Lebens, auf Jesu Christi Geburt, Tod und Auferstehung, und das kann uns die Frage, was diese Ereignisse denn mit meinem eigenen Leben heute, 1981, zu tun haben, immer wieder auch schwierig machen. Aber Pfingsten geht es um unsere eigenste Zentralfrage: Welcher Geist hilft meinem Geist zum Darüberstehen, damit auch zum Durchstehen und zum Widerstehen gegen die Verführungen, zum freien Blick durch die Nebel und Finsternisse, zur Hoffnung auf Sinn, zum Durchschauen der Betrügereien und der Selbstbetrügereien, zur Reue und zum Bessermachen, zur Erkenntnis dessen, was ich tun soll und zur Kraft für das, was ich tun soll, zum Glauben und zum Lieben und zu einem getrosten Altwerden und Sterben? Unser Geist ist kein heiliger Geist, sondern ein menschlicher, schwacher, leicht runterzudrückender und leicht verführbarer Geist, oft ein sehr unheiliger Geist – das wissen wir doch alle. Das beste Versprechen, das man einem Menschen geben kann, lautet: Du bist mit diesem deinem Geiste nicht allein, und du hast nicht nur die anderen Geister der anderen Menschen neben dir, die schlimmen und die guten, aber allesamt nicht wirklich reinen und heiligen und zum Heraufziehen und zum Darüberstehen tauglichen Geister. Es ist zur dir auf dem Wege jeden Tag und jede Stunde noch ein ganz anderer Geist, ein Geist aus der Höhe, aus der ewigen Liebe. In deinem innersten Inneren will er an dir arbeiten, dich verändern, dich aufschließen für Glauben und Lieben.

 

Kann ein Mensch sich wirklich ändern? Wie oft fragen wir das, wenn wir einem Menschen nicht heraushelfen können aus seinen inneren Nöten, Versklavungen und Verhärtungen, wenn wir erfahren, daß mit unserer Macht wirklich nichts getan ist. In unsere Verzweiflung an den Änderungsmöglichkeiten von Menschen trifft das Versprechen von Pfingsten herein, das Versprechen der Änderungskraft des Heiligen Geistes. Seufzend oder schreiend, aber mit neuer Hoffnung, ruft dies die Pfingstbitte in uns hervor: Veni, creator spiritus! Komm, Schöpfergeist, wandle steinerne Herzen in lebendige Herzen, ändere uns, daß wir glauben, hoffen und lieben können!

 

So kommt uns Pfingsten ganz nahe, aber dieser Wochenspruch ergänzt unser Verständnis von Pfingsten um eine wichtige Dimension. Er stammt aus dem 4. Nachtgesicht des Propheten Sacharja, aus einem Gotteswort an Serubabel: Der war ein Nachkomme Davids und war nach der Rückkehr der Juden aus dem babylonischen Exil vom ...

 

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... Perserkönig zum Statthalter über das Land Israel eingesetzt. Das Problem, vor dem die Heimkehrer damals standen, war der Wiederaufbau des Volkslebens im Sinne des großen Gottesbundes und der Wiederaufbau des Tempels als Mittelpunkt solchen Volkslebens. Es geht also nicht nur um ein individuelles Problem, sondern um ein kollektives. Die Schwierigkeiten, die ich jetzt nicht im einzelnen aufzählen kann, waren ungeheuer; die Begeisterung, mit der man an den Neuaufbau gegangen war, war längst verschwunden. Statt ihrer herrschte eine allgemeine Entmutigung und brachte die Gefahr, Israel werde nichts anderes mehr sein als eine persische Kolonie, bewohnt von armseligen Fellachen, die stumpfsinnig ihre Götzen anbeten, nicht mehr das wahre Israel: ein Licht für die Völker. Da hinein also geschieht das Prophetenwort: „Ihr meint, mit mehr Militär, mit einem starken Staat würdet ihr es schaffen, und weil ihr das nicht habt, gebt ihr auf. Aber es kommt auf etwas ganz anderes an: nicht auf Waffenstärke und starken Staat, sondern auf meinen Geist!“

 

Der Heilige Geist hat also mit solchen allgemeinen Problemen, mit dem Geist einer ganzen Bevölkerung nicht weniger zu tun wie mit den individuellen Problemen und der geistigen Änderung eines jeden einzelnen von uns. Fragen wir heute die Leute auf der Straße nach dem drängendsten allgemeinen Problem, dann werden  – im Unterschied zu Meinungsumfragen vor etwa acht Jahren, die ergaben, daß die Mehrzahl der Menschen ziemlich beruhigt in die Zukunft sah – die meisten der Befragten und jedenfalls alle, die nicht nur blind in den Tag hineinleben, antworten: Der Friede, die Rüstungsfrage. Und wo wir dieses drängendste allgemeine Problem sorgenvoll erörtern, da kommt als Hauptproblem der Geist der Menschen an den Tag: In welchem geistigen Zustand befinden sich die Regierenden, die Overkill- auf Overkillmittel häufen und das Geld dafür durch Einsparen bei den wichtigsten Lebensgebieten aus ihren Völkern herauspressen? In welchem geistigen Zustand befinden sich die Militärs, die bei ihren Szenarios des Dritten Weltkriegs Millionen von Toten auf einen Schlag einkalkulieren? In welchem geistigen Zustand befinden sich die Hunderttausende von Wissenschaftlern, die ihre Kenntnisse der Natur dafür benützen, um immer ungeheuerlichere chemische, bakteriologische Vernichtungssubstanzen zu erfinden?  In welchem geistigen Zustande befinden sich die Millionen von Soldaten, die bereitstehen, um gehorsam jeden Massenmordbefehl auszuführen? In welchem geistigen Zustand befinden sich die Völker, die das alles mit sich machen lassen, die sich aufhetzen lassen gegeneinander und ängstigen lassen voreinander, und die die Drohung mit Massenmord und Massenselbstmord für ein Mittel zur Friedenssicherung halten? 

 

Und dazwischen die Minderheit der Sehenden, die den Wahnsinn als Wahnsinn erkennen und nicht die Kraft haben, die kollektiv wahnsinnigen Regierungen und Völker aufzuhalten bei ihrem Torkeln in die Katastrophe. Ich kenne Menschen mit hohem, einschlägigem Fachwissen, Insider der Wissenschaft und der Politik, die nur noch gelähmt von Entsetzen auf dieses irrsinnige Treiben unserer Politiker sehen und immer tiefer in Verzweiflung versinken.

 

Das Pfingstwort zielt genau hinein in diese abgründige Anfechtung heute. In einer doppelten Hinsicht möchte ich das noch zeigen:

 

1.Das Pfingstwort spricht die Absage an das Vertrauen auf Heeresmacht und Gewalt aus. Die Gewaltmittel sind die Mittel, mit denen wir Menschen uns gegeneinander von jeher zu schützen pflegen. Sie ...

 

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... mögen auch ein Stück weit erlaubt, ja sogar geboten sein.  Aber wie bei allen Mitteln fürs Leben, wie z.B. auch beim Geld, beim Arbeitsplatz u.a., kann das immer dahin umschlagen, daß aus dem Mittel ein Gott wird, und daß wir nicht mehr das Mittel für unser Leben gebrauchen, sondern daß unser Leben dem Mittel dienstbar wird. Wir haben das Mittel zum Götzen erhoben, wenn unser ganzes Lebensvertrauen, unsere ganze Zuversicht an diesem Mittel hängt, und das kann man an einem genauen Kriterium feststellen: Dann nämlich, wenn es uns gleichgültig wird, ob das Mittel, mit dem wir das Leben sichern und gewinnen wollen, mit dem Glauben und dem Lieben, zu dem der Geist des lebendigen Gottes uns aufschließen möchte, vereinbar ist oder nicht, ob es also ein von Gottes Gebot erlaubtes und gebotenes Mittel ist oder ein verbrecherisches, ein menschenfeindliches, ein Mittel, das Gottes Geist und Willen gegen sich hat. Wenn uns das gleichgültig geworden ist, wenn wir das Mittel vergötzen, dann brauchen wir immer größere Heeresmacht, immer schauerlichere Vernichtungsmittel gegen die andern, um uns selbst zu schützen, dann meinen wir, wir seien verloren, unsere Freiheit, unsere Demokratie, auch unser Christentum sei verloren, wenn wir nicht solche Mittel gegen die, von denen wir bedroht zu sein meinen, also heute gegen die Sowjets, einsetzen. Umgekehrt! – sagt dieses Pfingstwort. Eure Freiheit und euer Christentum hängen ab von dem Geist, der in euch lebt, und sind schon verloren, wenn ihr meint, sie hängen von dem Gebrauch gottwidriger Mittel, sie hängen von eurer Atomrüstung ab. Ihr seid weder Freiheitsmenschen noch Christenmenschen, wenn ihr für Freiheit und Christentum Millionen von Sowjetmenschen umzubringen bereit seid. Setzt auf den Heiligen Geist, der euch zu Freiheitsmenschen, zu Christenmenschen machen kann und sagt ab solchen Gewaltmitteln, die Gottes Gebot gegen sich haben Wenn ihr von Gottes Geist euch erfüllen laßt, dann werdet ihr frei von der Russenangst, die euch zu Mordmenschen macht.

 

2.So will das Pfingstwort zu denen sprechen, die aus Angst den Götzen Atomwaffe anbeten, um sie aus dieser gottwidrigen und lebenswidrigen Angst zu befreien. Ebenso hilfreich und mit Befreiungskraft spricht es zu denen, die verzweifeln, weil sie sehen, wie dieser Atom-Götzendienst uns dem Untergang zutreibt. Das Pfingstwort stellt in Aussicht, daß der neue Geist aus der Höhe, der Heilige Geist Jesu Christi sowohl einzelne ändern kann wie auch ganze Volksmassen, ganze Kollektive. Wir ringen heute darum, unserer Bevölkerung die Augen zu öffnen für die Gefahr, die durch diesen Götzendienst immer größer wird und auch für die Unmöglichkeit, weiter so egoistisch unsern Wohlstand zu genießen und Millionen neben uns verhungern zu lassen. Wir möchten, daß unsere Bevölkerung Interesse, Geschmack, Vertrauen bekommt zu anderen Methoden der Sicherung, zu solidarischem Zusammenleben mit denen, auf deren Kosten wir es uns jetzt wohl sein lassen. Wir kämpfen gegen Blindheit, Egoismus und Götzendienst. Das Pfingstwort sagt: Faßt auch ihr selbst das Vertrauen, das ihr anderen predigt. Wenn ihr verzweifelt seid über die Mauern von Blindheit und Dummheit, die euch entgegenstehen, dann hört das Versprechen: „Es soll geschehen – durch meinen Geist“, dann antwortet diesem Versprechen durch das flehentliche Bitten: „Laß geschehen durch deinen Geist, was alle unsere Worte nicht zustandebringen können, und füge unseren Worten die Kraft dieses Geistes hinzu!“ Gestärkt durch das Pfingstversprechen und die Pfingstbitte gehen wir dann wieder an die Friedensarbeit, mögen die Mauern noch so dick erscheinen. Die Verheißung des Heiligen Geistes reißt uns heraus aus verzweifelter oder auch scheinfrommer Passivität und macht uns aktiv. Im Nicaenischen Glaubensbekenntnis, das wir vorhin gebetet haben, stehn die Worte: „Ich glaube an den Herrn, den Heiligen Geist, der da lebendig ...

 

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... macht.“ Der Heilige Geist macht lebendig. Mauern, die vor uns stehn, anzugreifen, zuversichtlich an die Arbeit zu gehen und auch in die Gefahren hinein, die sie mit sich bringt. Dafür gibt es eine schöne, alte, rabbinische Geschichte, die den Auszug der Kinder Israel und ihren Durchzug durch das Rote Meer betrifft. Ihr kennt alle die Geschichte, wie sie in der Bibel steht: Da steht das Volk Israel, das aus Ägypten geflohen ist, vor sich das Rote Meer, in dem sie ertrinken werden, und hinter sich die Streitmacht der Ägypter, die sie umbringen will. Auf Befehl des Gottes Israels, der sie aus Ägyptenland herausgeführt hat, reckt Moses seine Hand über das Meer, und die Wasser teilen sich, und das Volk Israel geht durch das Meer hindurch; hinter ihm schlagen die Wasser wieder zusammen und begraben die Ägypter. So steht es in der Bibel, aber so einfach war die Geschichte nicht, sagen die rabbinischen Ausleger; da muß noch etwas hinzugefügt werden: Wann genau teilten sich die Wasser? Nicht, bevor die Kinder Israel etwas taten, sondern erst, als sie etwas taten, nämlich erst, als sie im Vertrauen auf die göttliche Wunderverheißung auf das Rote Meer zu und in das Rote Meer hineingingen, erst als sie aktiv den Glaubensschritt  taten, erst da geschah das Wunder, erst da teilten sich die Wasser. Das heißt: Gottes Wunderverheißungen gelten nicht unserer Passivität, sondern unserer Aktivität, wer passiv bleibt, wird keine Wunder erleben, die aber, die im Glauben an Gottes Verheißung aktiv werden in der Richtung, die Gottes Antwort uns weist, die werden Wunder erleben. Der Pfingstverheißung gilt unsere Pfingstbitte, und im Glauben an die Pfingstverheißung machen wir uns aufs neue an die Arbeit, die Gottes Wort uns aufträgt.

 

                                                                                                  Amen

 

 

 Fotos

 Oben: Rosen am Katz’schen Garten in Gernsbach (Baden-Württemberg). Eigenes Foto, Mai 2010

Unten: Jesus-Christus-Kirche Berlin-Dahlem. Gemeinfreies Foto von Wikipedia

https://de.wikipedia.org/wiki/Jesus-Christus-Kirche_Dahlem